DGS
Was ist Gebärdensprache?
Die Gebärdensprache ist eine visuelle, natürliche Sprache mit eigener Grammatik, die von gehörlosen und stark schwerhörigen Menschen zur Kommunikation genutzt wird. Sie ist eine bildhafte und lebendige Sprache, die Gebärden, Mimik, Gestik, Mundbild und Körpersprache kombiniert. Damit schafft sie die Voraussetzung, dass Menschen, die an Taubheit leiden, und Schwerhörige über jegliches Thema, komplizierte Sachverhalte, sowie über Gedanken und Emotionen kommunizieren können. In Deutschland sprechen diese Sprache ca. 200.000 Personen.
Seit dem 1. Mai 2002 ist die Deutsche Gebärdensprache (DGS) mit Inkrafttreten des § 6 Absatz 1 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) als eigenständige Sprache anerkannt.
Wie funktioniert Gebärdensprache?
Die Gebärdensprache besteht nicht nur aus Zeichen. Diese besondere visuelle Sprache zu erlernen ist also komplex.
Für die Gebärdensprache braucht man den Blickkontakt des Gegenübers, denn man setzt die Hände ein, den Oberkörper, den Kopf und zusätzlich auch das Mundbild und die Mimik. Das heißt, das Gesicht muss auch immer noch mitsprechen. Für das Gebärden nutzt man immer seine dominante Hand. Rechtshänder also die rechte Hand und Linkshänder die Linke. Es gibt aber auch Gebärden, die mit beiden Händen ausgeführt werden. Wichtig ist auch, wo eine Gebärde ausgeführt wird. Ob am Kopf und Gesicht, am Hals, den Armen oder am Körper. Gehörlose haben außerdem eine klare Wahrnehmung für Stimmungen und Launen. Da sie nicht hören können, in welchem Tonfall jemand etwas sagt, achten sie dafür umso mehr auf Blicke und Körpersprache des Gesprächspartners.
Das Fingeralphabet
In der Gebärdensprache gibt es ein spezielles Fingeralphabet. Das Fingeralphabet wird gebraucht, wenn zum Beispiel eine bestimmte Gebärde nicht bekannt ist oder jemand etwas buchstabieren möchte. Auch Namen können mit dem Fingeralphabet „buchstabiert“ werden – diese gibt man bei der ersten Erwähnung einer Person weiter und erwähnt erst danach die Namensgebärde. Gebärdensprache wird auch häufig fälschlicherweise als Zeichensprache bezeichnet, was auf eine fehlerhafte Übersetzung (engl. «sign language») zurückgeht. Die Gebärdensprache ist jedoch eine natürliche Sprache, die der Lautsprache in allen linguistischen Aspekten gleichgestellt ist.
Namensgebärden
Einen Namen jedes Mal zu buchstabieren, ist umständlich und hemmt Gespräche. Deshalb sind Namensgebärden unter Gehörlosen weit verbreitet. Die Namensgebärde sollte irgendetwas Typisches für eine Person zeigen. Häufig anzutreffen sind Andeutungen körperlicher Merkmale, Frisuren oder Hobbys. Diskriminierende oder verletzende Namensgebärden sollten selbstverständlich nicht benutzt werden.
Der FC Bayern hat aktuell gemeinsam mit Fans mit Hörbehinderung um den Fanklub „Red Deaf“ in Pionierarbeit Gebärden für seine Spieler (Projekt „Zeig Dich!“) entwickelt. Wie ich finde eine schöne Aktion, um für das Thema Inklusion zu sensibilisieren.
Serge Gnabry zeigt seine von den Bayern-Fans entwickelte Gebärde: Er rührt im Kochtopf beim Torjubel
Schnell, schneller, Alphonso Davies: Die Gebärde stellt ihn dar, wie er einem Gegenspieler davonläuft
Matthijs de Ligt zeigt seine neue Gebärde: Sie stellt seine Rückennummer 4 auf dem Bayern-Herz dar
Fotos: Peter Schreiber / FC Bayern Magazin 51 (mit freundlicher Genehmigung der FC Bayern München AG)
Der Jahreszeiten-Name von Yann Sommer (über ihm geht die Sonne auf) und der Nachname von Thomas Müller (wie die Geste für den Beruf Müller) sind beispielsweise der tatsächlichen Gebärde entlehnt.
Was wäre eine für Euch/Sie typische Namensgebärde?
Die Gebärdenschrift
Für Gehörlose oder für Menschen, die von Geburt an gehörlos oder schon sehr früh ertaubt sind, fällt das Einüben der Lautschriftsprache schwer. Denn für sie ist sie eine Fremdsprache, die sie sich natürlicherweise nicht über das Zuhören aneignen können. Die Gebärdenschrift allerdings ist ein Schriftsystem, mit dem die Gebärdensprache festgehalten werden kann. Sie besteht aus leicht verständlichen visuellen Symbolen, die Handformen, Bewegungen, Ausführungsstellen und verschiedene mimische Ausdrücke von Gebärden darstellen. Die Stärke dieses Schriftsystems ist die einfache Lesbarkeit.
Ist Gebärdensprache international?
Nein, auch Menschen, die an einem Hörverlust leiden, müssen die Gebärdensprache als Fremdsprache erlernen, denn jedes Land hat seine eigene Sprache, die sich auch von Region zu Region unterscheidet. Es gibt zum Beispiel die amerikanische, französische, schwedische oder chinesische Gebärdensprache. Im deutschen Sprachraum findet man die Deutsche Gebärdensprache (DGS), die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS), wie auch die Deutschschweizer Gebärdensprache (DSGS). Allerdings gibt es auch in der Gebärdensprache verschiedene Dialekte, die “gesprochen” werden, wie zum Beispiel bayrisch.
Generell können Gehörlose aber auf der ganzen Welt leichter miteinander kommunizieren, denn die Gebärdensprachen sind untereinander ähnlicher als die verschiedenen Lautsprachen.
Wie lernt man Gebärdensprache?
Gebärdensprache lernt man am Besten in einem Gebärdensprachkurs. Dort kann man Gebärden lernen und sich auch mit Personen unterhalten, die an einem Hörverlust leiden. Durch den direkten Kontakt mit gehörlosen Dozenten und durch die verschiedenen Übungsmöglichkeiten verknüpft mit Partner- und Gruppenarbeiten, kann die Sprache und Gehörlosenkultur am besten nähergebracht werden.
In welcher Sprache denken Gehörlose?
Gehörlose denken grundsätzlich wie alle Menschen von Geburt an unabhängig von Sprache. Sobald sie eine Sprache gelernt haben, die Gebärdensprache, denken sie auch in ihr und mit ihrer Hilfe. Wenn sie an das Wort „Apfel“ denken dann assoziieren sie genau wie Menschen, die mit Lautsprache kommunizieren, an Aussehen und Geschmack eines Apfels. Sie denken dann nur nicht an die Aussprache eines Wortes aber an die Gesten, die für das Wort gelten. Gehörlose denken also generell mehr in Bewegungen und weniger in Worten.
Herzensangelegenheit (in eigener Sache)
Mit der Anwendung und Verbreitung von Gebärdensprache werde ich mir jeden Tag meiner eigenen Wurzeln bewusst. Mir ist es wichtig, diesen Gedanken lebendig zu halten und weiterzugeben.
Dabei möchte ich hörende Mitmenschen dazu ermutigen, sich für diese besondere Form der Kommunikation zu öffnen. Während ich dies schreibe, habe ich das Bild meiner Frau Andrea vor Augen, die mich vor bald 30 Jahren fragte, wie sie meinen gehörlosen Eltern bei der ersten Vorstellung begegnen und mit ihnen kommunizieren soll. Ich sagte: „Bleib Du selbst, lass Dich fallen. Sprich einfach langsam und deutlich, nicht laut. Du wirst sehen, das geht von ganz allein.“ Mit der ihr eigenen ungezwungenen Offenheit, Fröhlich- und Natürlichkeit, für die ich sie liebe, hat sie dann auch das Herz meiner Eltern im Sturm erobert.
Was ich sagen will? Haben Sie keine Scheu. Haben Sie keine Angst davor, etwas falsch zu machen, wenn Sie auf einen Menschen mit Hörbehinderung treffen. Meine Überzeugung ist, dass alle Menschen gleichberechtigt miteinander leben sollten. Geben Sie (hör-) behinderten Mitmenschen das Gefühl und das Wissen, gleichgestellt und wertvoll zu sein.
Gleichstellung ist neben Selbstbestimmung und Teilhabe ein Grundrecht, für das – und daran soll hier durchaus auch erinnert werden – lange Zeit gekämpft werden musste, und das auch noch gar nicht so lange gesetzlich verankert ist.
Ich danke daher jedem Einzelnen, der sich in diesem offenen und unvoreingenommen Umgang übt.
«Mal im Mittelpunkt stehen.
Das macht mich glücklich.»
Laura